Laksmi Pamuntjak las beim Bad Berleburger Literaturpflaster aus ihrem Debütroman "Alle Farben Rot"

Schreiben wider das Vergessen

'Alle Farben Rot' heißt der Roman, den die indonesische Autorin Laksmi Pamuntjak in Bad Berleburg vorstellte. (SZ-Foto: Anja Helmbrecht)

Bad Berleburg. (ahe) Wie jedes Jahr machte das Berleburger Literaturpflaster auch 2015 Station in der Cafeteria der Odebornklinik. Am Sonntagabend las hier die renommierte indonesische Essayistin, Lyrikerin und Journalistin Laksmi Pamuntjak aus ihrem ersten Roman. Sie stellte den zahlreich erschienenen Zuhörern eine Passage auf Indonesisch vor, einer Kunstsprache, die jedes Kind als zweite Muttersprache lernt. Diese Sprache sichert die Verständigung der Indonesier untereinander, die auf über 17.000 Inseln leben und rund 700 verschiedene Sprachen sprechen. Rikarde Riedesel moderierte den Abend, stellte der Autorin vielschichtige Fragen, die den Zuhörer strukturiert in das sehr ambitionierte und komplexe Romangeschehen einführten. Marlen Jourdan verstand es, die deutsche Übersetzung überzeugend vorzutragen.

Zu Beginn der Lesung antwortete die Autorin auf die Frage, welche ihrer zahlreichen Tätigkeiten und Talente ihr die größte Freude bereiteten. Sie unterhält neben ihrer schreibenden Tätigkeit eine zweisprachige Buchhandlung in Jakarta und ist zudem ausgebildete Konzertpianistin. Sie sagte, dass es das Dichten sei. Hier sei sie sich selbst am nächsten, hier finde sie Stille. Das Problem bei Lyrik sei aber, so Pamuntjak charmant, dass sie nicht immer zu einem komme.

Die Stille als Voraussetzung, um bei sich sein zu können, die Verantwortung, die Wahrheit über die politische Vergangenheit zu erzählen, damit Gerechtigkeit, Versöhnung, Mitmenschlichkeit und Friedfertigkeit daraus entstehen können, das sind die großen Themen der wortgewaltigen und wagemutigen Autorin, die sich eine Menge für ihren ersten Roman vorgenommen hat. Zu viel, wie sie lachend einräumt. Aber so sei das eben beim ersten Roman, da wolle man alles hineinpacken, was man wisse, erklärt sie. Auf Deutsch heißt der Roman "Alle Farben Rot", auf Indonesisch trägt er den Titel "Amba", nach seiner Protagonistin, auf Englisch nennt er sich "The Question Of Red". Pamuntjak schrieb den Roman zunächst auf Englisch, in der Absicht, Indonesien und seine repressive Geschichte der letzten 50 Jahre im englischsprachigen Ausland bekannter zu machen. 2012 überzeugte ein indonesischer Verleger sie, den Roman ins Indonesische zu übersetzen, weil sein Inhalt einen wichtigen Beitrag für die Aufarbeitung der Suharto-Diktatur für die Indonesier liefern könne. Die deutsche Fassung wird nun auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Rot steht für die Liebe und das Leben, Rot ist ein Symbol für den Kommunismus, und Rot sind die Wut, die Raserei und das Blutvergießen. Nuancen von Rot halten hier die komplexen Handlungsstränge zusammen: Da ist Amba, eine Witwe, Anfang 60, die 2006 auf die Insel Buru (Molukken) aufbricht, um nach ihrem verschollenen Geliebten Bhisma zu forschen. Auf Buru errichtete das Regime Suharto nach dem Militärputsch 1965 ein Gefangenenlager, in dem Tausende vermeintlicher Kommunisten inhaftiert und gefoltert wurden.

Auch die Romanfigur Bhisma wurde in den Unruhen 1965 dorthin verschleppt. Er war Arzt, hat in Leipzig studiert und sich in Amba, eine junge Englischübersetzerin, verliebt – und sie sich in ihn. Amba ist aber auch eine Königstochter im großen indischen Epos "Mahabharata", die als zweimal Verstoßene in Indonesien jeder kennt, weshalb kaum ein Mädchen so heißt. Amba und Bhisma kommen auch im Epos nicht zusammen, weshalb Amba schwört, Bhisma in einem anderen Leben zu töten. Im Epos begegnen sie sich auf dem Schlachtfeld wieder, Amba ist inzwischen als Mann namens Shikhandi wiedergeboren worden. Bhisma erkennt Amba in Shikhandi, hält inne und tötet sie/ihn nicht.

Es sei dieser Moment des Erkennens, der eine Stille und eine Menschlichkeit in das ansonsten wüste Szenario des Schlachtfelds bringe, der sie so fasziniere, erzählt Laksmi Pamuntjak. Diesen Wendepunkt nutzt sie als Motor und Katalysator für ihre Erzählung und ihren Wunsch nach Aufklärung, Versöhnung und Gerechtigkeit in der Bewältigung der Geschichte ihres Landes. Man kann ihr nicht genug Leser wünschen.

Von Anja Helmbrecht


Siegener Zeitung (13.10.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Anja Helmbrecht (ahe)

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