Linda Christanty bezieht mit ihren Texten
deutlich Position

Engagement für ihr Land

Die indonesische Schriftstellerin Linda Christanty und ihr Übersetzer Dr. Gunnar Stange bestritten am Montag die letzte Autorenlesung des diesjährigen Berleburger Literaturpflasters. (SZ-Foto: Guido Schneider)

Bad Berleburg. (schn) Wie schnell doch die Zeit vergeht, am Montagabend stand schon die letzte Lesung des Bad Berleburger Literaturpflasters für dieses Jahr auf dem Programm. Zum Abschluss der Lesungen gastierte Linda Christanty an der Odeborn und zeigte sich als engagierte und nachdenkliche Autorin mit einem tiefen Anliegen. Sie setzt sich kritisch mit dem Islam auseinander und eben auch für den Islam ein.

Linda Christanty ist eine zierliche Frau mit aparten Gesichtszügen. Selbst in einem vollen Café in Jakartas Innenstadt würde sie wohl durch ihre Präsenz auffallen. Die älteste Tochter eines Bergbaumanagers wuchs auf der indonesischen Insel Bangka auf. Ihre Eltern waren liberal und westlich orientiert, die Bildung ihrer drei Kinder lag ihnen am Herzen. Dennoch beschreibt Linda Christanty gleich im ersten Essay ihres aktuellen Buches "Schreib bloß nicht, dass wir Terroristen sind" ihr Bild des Islams und die Erinnerungen an ihre Kindheit. Dabei nimmt sie diejenigen aufs Korn, die für sich die letzte Wahrheit der Religion in Anspruch nehmen. Sie vertritt einen pragmatischen, offenen, friedfertigen Islam.

Mehrfach äußerte sie den Satz, dass niemand das Recht habe, die "eine" Interpretation des Islams für sich zu reklamieren. Kritisch sieht sie die Entwicklung eines radikalen und weltabgewandten Islam in ihrer Heimat. So viel wurde aus dem kurzen Beitrag am Montag deutlich. "Ich bin in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Indonesien kein islamischer Staat ist, sondern eine säkulare Republik", erzählt die Muslima. Ihren christlich klingenden Name hat sie der Verehrung ihres Vaters für die Tennisspielerin Chris Evert zu verdanken. Sichtlich wohl fühlten sich Linda Christanty und ihr Übersetzer Dr. Gunnar Stange in der Backstube des Bad Berleburger Café Wahl. Gekonnt, leicht und locker führte Stange durch den Abend, übersetzte flüssig und ohne sich Notizen zu machen und ergänzte die Antworten der Autorin immer wieder mit hilfreichen Hintergrundinformationen. Nach dem Tsunami im Jahr 2004 lernten sich die beiden in der Provinz Aceh kennen, in der beide als Helfer arbeiteten. Christanty half dabei, die journalistische Infrastruktur nach der Katastrophe wieder aufzubauen.

Der zweite Teil des Abends gehörte mehr der Politik, denn der Religion. Christanty ging nach ihrem Studium in den Untergrund, engagierte sich als Aktivistin im linken Lager. Sie war mit daran beteiligt, das Land auf einen demokratischen Weg zu bringen. Wie die meisten Angehörigen ihrer Generation hielten ihre Eltern sich jedoch sehr zurück mit politischen Ansichten – eine Folge der blutigen Massenmorde an Kommunisten und deren mutmaßlichen Sympathisanten, die der Machtergreifung durch General Suharto im Jahr 1965 folgten. Über die Ereignisse in diesen krisenhaften Jahren des Militärputsches schreibt Linda Christanty im Buch "Final Party & Other Stories". Was dem Berleburger Publikum geboten wurde, war informativ, teils auch bedrückend, die Stimmung dicht und mit Spannung geladen.

Die Lesung war ein würdiger Abschluss der Autorenlesungen des 22. Literaturpflasters. Immer wieder wurde den Zuhörern das vielfältige Inselreich Indonesien auf ganz unterschiedliche Weise vorgestellt. Den Schlusspunkt setzt am 29./30. Oktober eine Multivisionsshow von Dirk Bleyer im Johannes-Althusius-Gymnasium (die zweite Veranstaltung ist eine Schulvorstellung), die noch einmal einen Bogen über das gesamte Literaturpflaster spannen wird.

Von Guido Schneider


Siegener Zeitung (22.10.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Guido Schneider (schn)

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