Graffiti auf Indonesisch

22. Literaturpflaster eröffnet mit einer Fotoausstellung

Sind fasziniert von der Sprayer-Szene in Yogyakarta: Doris Klein und der Fotograf Markus Kirchgessner. (SZ-Foto: Anja Helmbrecht)

Bad Berleburg. (ahe) Gestern Abend eröffnete Bettina Born von der Kulturgemeinde in der Volksbank Wittgenstein das 22. Berleburger Literaturpflaster. Gastland des diesjährigen Literaturpflasters ist, analog zur Frankfurter Buchmesse, Indonesien. Vor einem kleinen Kreis führte Born in die Ausstellung über Graffitis in Javas größter Kunst- und Kulturmetropole ein und stellte das Duo des Abends vor, den Fotografen Markus Kirchgessner und die Germanistin Doris Klein. Kirchgessner ist Fotograf und arbeitet für zahlreiche Zeitschriften, Agenturen und Buchverlage. Schwerpunkte seiner Arbeit sind kulinarische Fotoprojekte sowie Reisereportagen. Sein Interesse gilt dabei dem scheinbar zeilosen Phänomen des Alltäglichen. Emsigen Literaturpflaster-Besuchern ist Kirchgessner aus den Jahren 2012 (Autorenporträts aus Neuseeland) und 2013 (Schwarz-Weiß-Fotografien aus Brasilien) bereits bekannt.

Doris Klein ist mit Kirchgessner befreundet; sie lebt in Jakarta und arbeitet dort auch als Journalistin. Kirchgessner war zu Besuch und hat im Süden der Insel Java die Stadt Yogyakarta besucht. Begeistert von den bunten Fassaden, den Graffitis, Tags und Writings nahm er sich einige Tage frei vom Urlaub und fotografierte. Mit Entdeckerlust, Spaß am Motiv und im pulsierenden Alltag der Javaner ging er ans Werk. Entstanden sind 160 Aufnahmen, die allesamt eine unverbrauchte Frische und Authentizität zeigen. Knapp 30 von ihnen sind nun bis zum 2. Oktober in der Volksbank zu sehen. – Indonesien ist ein Verband von 17.000 Inseln, Java ist eine der größten von ihnen. Im Süden liegt Yogyakarta, eines der wenigen politisch noch aktiven Sultanate des Indonesischen Archipels. Die Hauptstadt gleichen Namens, kurz Yogya genannt, zählt gut 500.000 Einwohner und ist gemessen an anderen Städten recht überschaubar. Yogya gilt als geistiges und kulturelles Zentrum der Insel sowie als Touristen-Attraktion. Die Stadt beherbergt die meisten Universitäten, unter anderem auch das "Indonesian Institute of the Arts", und ist berühmt für seine Silberverarbeitung und Batikstoffe.

Doris Klein hat sich auf die Fährte der Künstler begeben, inspiriert durch die Aufnahmen ihres Freundes Kirchgessner. Sie traf einige Sprayergruppen, begleitete sie zu einigen ihrer Wandprojekte und unterhielt sich mit ihnen. Die meisten Sprayer und Writer sind mit der Kunsthochschule verbunden, Studenten und Lehrende gleichermaßen. Sie alle haben Lust auf diese Art öffentliche Kunst. Der Kick daran ist schon das Illegale, aber wohl auch das Endliche, nicht Berechenbare. Viele Graffitis haben eine Botschaft, sind politisch brisant. Andere sind provokant oder einfach dekorativ.

Die ausgestellten Fotos zeigen Wandbemalungen von traditionell javanischhinduistischen Einflüssen und westlichen Ikonen: Im Eingang steht eine indonesisch gefärbte Marilyn Monroe, deren rechte Gesichtshälfte von einem wild wuchernden Busch schon wieder überdeckt ist. Das Foto demonstriert eine klare Orientierung nach Westen, es zeigt aber auch den schnelllebigen Charakter der Graffitis und zeigt obendrein Kirchgessners Blick. An anderer Stelle lässt ein Sprayer sich bei der Arbeit an einem Sockel ablichten, bei dem er ein für das Land typisches Batikmuster aufgreift und es in neuer Form an die Wand bringt.

Straßenszenen aus dem Alltag, die Präsenz der Mopeds und der Garküchen vor buntem gesprayten Hintergrund, aber auch traditionelle javanische Schattenspielfiguren aus dem Ramayama-Epos tauchen mit aktuellen Botschaften auf, die den konservativen Moslems eher ein Dorn im Auge sind. Die Sprayer sind geschätzter als hierzulande, verschönern sie doch das Stadtbild. Sie alle bemühen sich um eigene Handschrift. Gleichzeitig gibt es mehr Respekt vor Privateigentum, Tags auf privaten Hauswänden gäbe es eigentlich nicht, so Klein. Es sei auch schon vorgekommen, dass die Polizei Sprayer mit einem Wandbild beauftragt habe. Dennoch bleibt das Sprayen im Bereich des Illegalen. Auf ihrer nächtlichen Recherchetour hat Doris Klein dann genau auch das erlebt: Von der Polizei aufgespürt, musste sie mit der Gruppe auf dem Moped vor den Ordnungshütern fliehen. Die Graffitis von Yogyakarta sind bunt, grell und vermitteln einen lebendigen Eindruck des alltäglichen Lebens. Eine Reise zu ihnen lohne sich, so das Duo gegen Ende ihres einführenden Gesprächs, es gebe aber auch am Tag geführte Routen zu den Wandbildern.

Markus Kirchgessner: "Graffiti in Yogyakarta".
Bis 2. Oktober, Volksbank Wittgenstein, Bad Berleburg, Poststr. 30a, werktags 8.30 bis 12.30 Uhr sowie 14 bis 16 Uhr, Do. bis 18 Uhr.

Von Anja Helmbrecht


Siegener Zeitung (02.09.2015)
Internet: www.siegener-zeitung.de
Bildquelle: SZ-Foto von Anja Helmbrecht (ahe)

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