Bad Berleburg. (schn) Die Bezeichnung der Einwohner Bad Berleburgs war so etwas wie das Wort es Abends, als sich Indonesien am Freitagabend als Gastland des Bad Berleburger Literaturpflasters 2015 vorstellte. Die Gäste aus dem südostasiatischen Inselreich hatten immer wieder mit der Aussprache von "Bad Berleburger und Bad Berleburgerinnen" ihre Schwierigkeiten und nahmen es mit einigem Humor – wie auch die Gäste im Bad Berleburger Schloss. Es war nach der Fotoausstellung in der Volksbank Wittgenstein (die Siegener Zeitung berichtete) die zweite Veranstaltung im Rahmen des Literaturpflasters.
Dabei hatte der Abend unverhofft mit einer kleinen Panne begonnen. Der Botschafter der Republik Indonesien, Dr.-Ing. Fauzi Bowo, war mit einem Maschinenschaden an seinem Auto unterwegs liegen geblieben und so übernahm Kulturattaché Prof. Dr. Argo Rubianto die Präsentation seines Landes. Der Botschafter gab sich aber zu späterer Stunde die Ehre und beantwortete in fließendem Deutsch die Fragen der Gäste, wie schon zuvor sein Kulturattaché. Beide haben in Deutschland studiert, kennen das Land und konnten so interessante Vergleiche ziehen.
Die Republik zwischen Indischem Ozean und Pazifik präsentierte sich selbstbewusst und weltoffen. Indonesien ist den meisten Deutschen wohl kaum bekannt. Wer schon einmal da war, kennt meist die Insel Bali als Tourist. Dabei hat der Inselstaat eine außergewöhnliche Vielfalt zu bieten. Indonesien besteht aus rund 17.000 Inseln und erstreckt sich über mehr als 5.000 Kilometer. Von Bad Berleburg aus ist das etwa die Entfernung zur US-amerikanischen Ostküste. Über 300 Ethnien mit unterschiedlichen Sprachen bevölkern den tropischen und subtropischen Raum und die Wirtschaftskraft ist mehr als unterschiedlich verteilt.
Indonesien stand bis weit ins 20. Jahrhundert hinein unter Kolonialherrschaft der Niederlande. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich in niederländisch Indochina, so der damalige Name, ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein und eine starke Unabhängigkeitsbewegung. Doch erst nach der japanischen Niederlage und der mangelnden Kraft der Niederlande, das Kolonialregime aufrecht zu erhalten, wurde der Inselstaat unabhängig und begab sich auf seinen langen Weg zur Demokratie. Nach den ersten Jahren demokratischer Gehversuche etablierte sich eine Scheindemokratie, die erst im Jahr 1998 nach vielen inneren Kämpfen ein Ende fand. "Seit der Rückkehr zur Demokratie", wie es Prof. Dr. Argo Rubianto selbstbewusst ausdrückte, ist die Nation mit rund 253 Mill. Einwohnern die drittgrößte Demokratie und gleichzeitig der größte muslimische Staat der Welt. Indonesien sei der Beweis, dass sich der Islam mit den Prinzipien der demokratischen Grundordnung vereinbaren lasse. Die Mehrheit der Indonesier bekennt sich zum Islam, der aber keine Staatsreligion ist. Die Verfassung garantiert das Nebeneinander der verschiedenen Religionen und von denen gibt es in Südostasien eine ganze Menge.
Allerdings machten beide Redner auch darauf aufmerksam, dass Indonesien in der glücklichen Lage ist, dass die größten muslimischen Bewegungen einen sehr moderaten Islam vertreten. Nur etwa die Hälfte der Frauen trägt Kopftuch und fundamentale oder radikale Kräfte machen aktuell nur etwa ein Prozent der Muslime im Land aus. Aber auch die seien durchaus nicht zu unterschätzen. Prof. Dr. Argo Rubianto machte deutlich, dass er auf die Mehrheit vertraue, die mit ihrer weltoffenen Version des Islam immer eine positive Entwicklung erfahren habe. Sowohl Botschafter Fauzi Bowo, als auch sein Kulturattaché gingen offensiv und offen mit Problemen in ihrem Land um. So ist die Frage der Bildung eines der zentralen Themen.
Man müsse an der Qualität der Universitäten arbeiten. Auf Java gebe es die besten Hochschulen des Landes, auf Augenhöhe mit denen in Deutschland, im Osten des Riesenreiches sehe das anders aus. Daran müsse man arbeiten. Das sehe man auch bei der Einkommensverteilung. Der Osten hinke noch weit hinter dem Westen rund um die Hauptstadt Jakarta hinterher. Indonesien setzt nicht nur auf die Ausbeutung seiner Bodenschätze, sondern will sich verstärkt im Bereich der erneuerbaren Energien positionieren. Man habe erkannt, wie wichtig eine nachhaltige Entwicklung sei. Selbstbewusst zeigten Botschafter und Kulturattaché auf die Leistungen und Potentiale ihres Landes.
Die Volkswirtschaft ist groß, potent und jung. Beide sprachen Probleme offen an, ohne zu beschönigen. Indonesien sieht sich als Brücke zwischen westlicher Welt und Islam, zwischen Indischem Ozean und Pazifikraum. Und damit ist auch der Bogen zur Buchmesse und dem Auftritt in Bad Berleburg und Frankfurt geschlagen. Die indonesische Literatur soll nicht nur beworben werden, sie soll auch eine Brückenfunktion zum Verständnis zwischen den Staaten sein. Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1952 pflegen Deutschland und Indonesien ein enges Verhältnisse. Man hoffe auf eine weitere Vertiefung durch die Präsentation in Frankfurt.
Die könnte durchaus gelingen, denn die indonesische Literaturszene ist relativ jung. Die Alphabetisierung setzte erst mit der Einführung des lateinischen Alphabets richtig ein. Die Bahasa Indonesia, übersetzt die Sprache Indonesiens, ist verbindliche Amtssprache auf allen 17.000 Inseln. Alle wichtigen Publikationen und neuen Romane werden in dieser Sprache veröffentlicht. Erst dadurch hat sich eine landesweite Szene entwickelt. Die Bahasa Indonesia hat sich aus der Bahasa Melayu, dem Malaysischen, entwickelt und viele Einflüsse aus dem Englischen, Niederländischen, Portugiesischen, Javanesischen und vieler anderer Sprachen aufgenommen. Sie ermöglicht die landesweite Kommunikation untereinander. Dennoch sollen die regionalen und lokalen Sprachen nicht unterdrückt werden. In den Grundschulen wird zuerst die Muttersprache gelehrt, also de Sprache vor Ort, erst danach kommt verbindlich für alle die Bahasa Indonesia dazu.
Im Schulalltag nimmt die Nationalsprache eine Stellung zwischen Alltagssprache und Fremdsprache ein. Wie der Sprachenmix aussehen kann, zeigte sich am Freitagabend anschaulich. Bei Fragen, auf die Prof. Dr. Argo Rubianto nicht sofort eine Antwort wusste, wechselte er mit seinen Mitarbeiten bunt durch die Sprachen, von Indonesisch zu Javanesisch und manchmal kam dann auch die Antwort gleich auf Deutsch zurück. Die Sprachenvielfalt sei ein Merkmal Indonesiens, so Rubianto, das durch die Amtssprache nicht abgelöst werde. Die indonesischen Autoren befassen sich in ihren Werken oft mit den lokalen Gegebenheiten einer für Deutsche eher unbekannten Welt, die vielgestaltig ist. So wird es in diesem Jahr zum Bad Berleburger Literaturpflaster einen großen literarischen Bogen geben.
Von Guido Schneider