Viel Europa auf kleinem Raum
Seine „Gebrauchsanweisung“ beginnt er mit einer Schilderung all dessen, was man in Slowenien kaum finden kann: eine ausgedehnte Küste etwa oder die breiten Boulevards einer Metropole. Was man entdecken könne, sei viel Europa auf kleinstem Raum. Slowenien sei „the nation with the best location“. Mittendrin zwischen Ost und West und Süd und Nord, mit einem engen Nebeneinander von Bergen und Meer und mit einer Identität, die geprägt sei vom deutschsprachigen Kulturraum, dem Italiens und dem des Balkans. Ein Schlüsselbegriff der Selbstvergewisserung sei das Adjektiv „priden“, so Aleš Šteger. Tüchtig wolle man sein in Slowenien, bienenfleißig – und ja, man sei auch das Land der Imker.
Um ein Gefühl von dem zu vermitteln, wie wechselvoll die slowenische Geschichte in den Jahren bis zur Unabhängigkeit (1991) gewesen ist, wählte Aleš Šteger ein Gedicht. Nämlich jenes von Boris A. Novak, das von einem Testament erzählt, das gut hinter dem gerahmten Porträt des jugoslawischen Staatschefs Tito versteckt ist. Unter diesem Bild findet sich eine Fotografie von Adolf Hitler, wiederum darunter die Konterfeis von Königen und Prinzen und schließlich dem österreichischen Kaiser. Erst unter dessen mächtigem Schnurrbart finden sich die Worte des pensionierten Hauptmannes Anton Novak an seinen Sohn.
Aleš Šteger ist ein wundervoller Erzähler. Er macht Lust auf Slowenien, dieses weil „extrem egalitär“ wohl „sozialistischste Land Europas“. Wie es in Slowenien ausschaut, wo man gewesen sein sollte und was man unbedingt essen oder trinken müsste, davon berichtet er in Berleburg nicht. Schließlich will seine „Gebrauchsanweisung“ gelesen sein. Aber was er berichtet von jenen „Tagen der Poesie und des Weines“, dem von ihm mitgegründeten Festival für Lyrik und Genuss, machen maximal neugierig. In Nova Gorica ist Hemingway schon gewesen. Wir sollten hin – vielleicht 2025, denn dann wird das Städtchen beidseits der italienisch-slowenischen Grenze zu Kulturhauptstadt Europas.
Zur Person
Aleš Šteger hat seine Heimat mit dem Zug, zu Fuß und mit dem Fahrrad erkundet. Er weiß, wo Slowenien am schönsten ist, er kennt Land und Leute und teilt das in seiner „Gebrauchsanweisung für Slowenien“ (Piper) mit den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern. Natürlich entführt er auch in die Stadt in der er lebt, in die Hauptstadt Ljubljana.
Historisch und kulinarisch entfaltet er ein fast grenzenloses Panorama. Aleš Šteger, 1973 geboren, gilt als der bekannteste slowenische Autor seiner Generation.
Seine Werke – Gedichte, Romane, Essays – wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er ist unter anderem Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Zuletzt erschienen ist sein Lyrikband „Atemprotokolle“.
Von Claudia Irle-Utsch