Die Vielfalt Sloweniens

Finale Lesung des 30. Literaturpflasters: Aleš Šteger stellt „Gebrauchsanweisung für Slowenien“ vor

Aleš Šteger machte aus seiner Lesung im Sanitätshaus Kienzle schließlich auch ein Happening. (Foto: Claudia Irle-Utsch)

Bad Berleburg. Der Klang der winzig kleinen Zimbeln kündigt an, dass sich der Ton ändern wird, die Stimmung, die Aussage. Der Autor, der so launig über sein Buch und sein Land gesprochen hat, wechselt seinen Platz. Steht auf, tritt vor und rezitiert. Das Gedicht, das er nicht allein liest, sondern geradezu performt, bündelt vieles zuvor Gesagte. Es ist eines der „Atemprotokolle“ von Aleš Šteger. Es unterstreicht, wie sehr alles, was ist, auch war und gewesen ist und sein wird. Ein Mensch lebt nicht im luftleeren Raum, sondern atmet umfasst auch von jenen, die ihm vorangegangen sind – den Eltern, den Großeltern, den Ahnen.

Und so bettet Aleš Šteger auch seine Schilderungen über das diesjährige Buchmessen-Gastland ein in einen größeren Zusammenhang, verknüpft die Mentalitätsgeschichte mit der politisch-kulturellen Historie und tut das mit einer sachlichen, gewinnenden Heiterkeit. Seine „Gebrauchsanweisung für Slowenien“ stellte der Autor am Mittwoch beim letzten Lese-Abend des 30. Berleburger Literaturpflasters vor. Sein Publikum im Sanitätshaus Kienzle war groß und zu Teilen durchaus mit Slowenien vertraut; es ließ sich gerne ein auf diese knapp 90-minütige Melange aus Prosa, Lyrik und Dialog.

Bettina Born vom Literaturpflaster-Team stellte den Gast vor als einen der bekanntesten Schriftsteller seines Landes – und: als einen Slowenen, der nicht nur Deutsch spricht, sondern eben dieses Buch auch auf Deutsch geschrieben hat. Aus gutem Grund habe er dieses sprachliche Format gewählt, unterstrich Aleš Šteger im Gespräch. Durch die Beschreibung seiner Heimat eben nicht in seiner Erstsprache habe er noch einmal neu und aus gewisser Distanz entdecken können, was eigentlich „den Unterschied“ ausmache.

Zum Abschluss des 30. Berleburger Literaturfestivals gab es nicht nur Pflastersteine, sondern auch Blumen – zur Freude der Schenkenden und Beschenkten: Aleš Šteger, Claudia Schwarz, Chef-Koordinatorin Rikarde Riedesel, Hubert Kienzle und Bettina Born (von links). (Foto: Claudia Irle-Utsch)

Viel Europa auf kleinem Raum

Seine „Gebrauchsanweisung“ beginnt er mit einer Schilderung all dessen, was man in Slowenien kaum finden kann: eine ausgedehnte Küste etwa oder die breiten Boulevards einer Metropole. Was man entdecken könne, sei viel Europa auf kleinstem Raum. Slowenien sei „the nation with the best location“. Mittendrin zwischen Ost und West und Süd und Nord, mit einem engen Nebeneinander von Bergen und Meer und mit einer Identität, die geprägt sei vom deutschsprachigen Kulturraum, dem Italiens und dem des Balkans. Ein Schlüsselbegriff der Selbstvergewisserung sei das Adjektiv „priden“, so Aleš Šteger. Tüchtig wolle man sein in Slowenien, bienenfleißig – und ja, man sei auch das Land der Imker.

Um ein Gefühl von dem zu vermitteln, wie wechselvoll die slowenische Geschichte in den Jahren bis zur Unabhängigkeit (1991) gewesen ist, wählte Aleš Šteger ein Gedicht. Nämlich jenes von Boris A. Novak, das von einem Testament erzählt, das gut hinter dem gerahmten Porträt des jugoslawischen Staatschefs Tito versteckt ist. Unter diesem Bild findet sich eine Fotografie von Adolf Hitler, wiederum darunter die Konterfeis von Königen und Prinzen und schließlich dem österreichischen Kaiser. Erst unter dessen mächtigem Schnurrbart finden sich die Worte des pensionierten Hauptmannes Anton Novak an seinen Sohn.

Aleš Šteger ist ein wundervoller Erzähler. Er macht Lust auf Slowenien, dieses weil „extrem egalitär“ wohl „sozialistischste Land Europas“. Wie es in Slowenien ausschaut, wo man gewesen sein sollte und was man unbedingt essen oder trinken müsste, davon berichtet er in Berleburg nicht. Schließlich will seine „Gebrauchsanweisung“ gelesen sein. Aber was er berichtet von jenen „Tagen der Poesie und des Weines“, dem von ihm mitgegründeten Festival für Lyrik und Genuss, machen maximal neugierig. In Nova Gorica ist Hemingway schon gewesen. Wir sollten hin – vielleicht 2025, denn dann wird das Städtchen beidseits der italienisch-slowenischen Grenze zu Kulturhauptstadt Europas.

Zur Person

Aleš Šteger hat seine Heimat mit dem Zug, zu Fuß und mit dem Fahrrad erkundet. Er weiß, wo Slowenien am schönsten ist, er kennt Land und Leute und teilt das in seiner „Gebrauchsanweisung für Slowenien“ (Piper) mit den deutschsprachigen Leserinnen und Lesern. Natürlich entführt er auch in die Stadt in der er lebt, in die Hauptstadt Ljubljana.

Historisch und kulinarisch entfaltet er ein fast grenzenloses Panorama. Aleš Šteger, 1973 geboren, gilt als der bekannteste slowenische Autor seiner Generation.

Seine Werke – Gedichte, Romane, Essays – wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er ist unter anderem Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Zuletzt erschienen ist sein Lyrikband „Atemprotokolle“.

Von Claudia Irle-Utsch


WESTFALENPOST (27.10.2023)
Internet: www.wp.de/staedte/wittgenstein/
Bildquelle: Fotos (2) von Claudia Irle-Utsch

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