Orientalische Klänge
auf traditionellen Instrumenten dargeboten
Die Kunst, auch die Untertöne zu treffen
Bad Berleburg. (cw) Die Weichen für das Konzert des Ensembles "Misafir" im Bad Berleburger Schloss wurden bereits im Dezember 2007 gestellt. Damals gab der Leiter der vier Musiker, Murat Coşkun, mit den "Freiburger Spielleyt" den Auftakt zur Weihnachtszeitreise ebenfalls im Schloss. Auch diesmal fand sich das Publikum zahlreich im Foyer des historischen Gebäudes ein, um den türkischen, arabischen und orientalischen Weisen von Annette Maye (Klarinetten), Gürkan Balkan (Ud, Vorgängerin der Gitarre), Murat Coşkun (Percussion) und Muhittin Temel (Kanun, Kastenzither) zu lauschen.
Für den einen oder anderen im Saal war dies sicherlich ein ungewohnt exotisches Klangerlebnis. An den entspannten Gesichtern erkennbar, waren die Zuhörer jedoch der teils recht fremdartigen Musik gegenüber aufgeschlossen. Die Neugier auf die ältesten Musikinstrumente der Menschheit mag dies noch unterstützt haben. Die Musiker erklärten detailliert die Entstehungsgeschichte ihrer Instrumente und wie sie sich in der Arbeit damit auseinandergesetzt haben. Genossen doch alle zu Anfang eine klassische Instrumentenausbildung in Deutschland und ihrem Heimatland Türkei, widmeten sich später der traditionellen türkischen, anatolischen und osmanischen Musik.
Die vielseitig begabte Jazzklarinettistin Annette Maye gründete 1998 gemeinsam mit Murat Coşkun und Gürkan Balkan das Ensemble FizFüz und gewann bereits im gleichen Jahr den SWR-Weltmusikpreis "querBeet". Auf Schloss Berleburg gesellte sich nun Muhittin Temel zu dem Trio, das sich fortan als Quartett "Misafir" nennt, was auf Deutsch "Der Gast" bedeutet.
Mit einem heiteren Tanzstück aus Anatolien ließen sie das Berleburger Publikum sanft in die spezielle Art der türkischen Musik eintauchen. Die variablen Werke, die traditionell durch eine Schalmei begleitet werden, wurden hier auf Klarinetten interpretiert, die zwar nicht urtypisch türkisch sind, aber einen großen Stellenwert in der osmanischen Musik im Verlauf der Jahrhunderte erhalten haben.
"Misafir" gaben eine kleine Kostprobe osmanischer Hofmusik, die mit sehr streng festgelegter Kompositionsform geschrieben wurde. Bei freier Introduktion gaben sie einen Einblick in diese Werke mit 10/8-tel Rhythmus.
Später schlugen die Vier Brücken zum Jazz der Neuzeit und zur westlichen Welt, um dann dem Okzident wieder den Rücken zuzukehren und die Mystik des Orientalischen leben zu lassen. Mit mündlich überlieferten Dichtungen des Poeten Emned, in ein arabisches Klanggewand gehüllt, ließen "Misafir" die Fantasien in die mesopotamische und aserbaidschanische Welt der Rhythmen gleiten.
Für das Auge und Ohr des Laien sind die Klänge und Instrumente vermeintlich simpel. Welch musikalischer Umfang und welches Können und Beherrschen dahinein gesteckt werden müssen, zeigten kurze Erklärungen von Murat Coşkun. All seine Trommeln beispielsweise haben durchschnittlich etwa 2800 Töne, die Kanun hat 26 Töne à drei Saiten. Erschwert wird das Spiel dieser Instrumente zusätzlich dadurch, dass Orientalen aus jedem ganzen Ton neun Untertöne zaubern.
Die Veranstaltergemeinschaft des 15. Literaturpflasters, das an diesem Abend durch Otto Marburger und Christoph Haupt (Kulturgemeinde) vertreten wurde, würdigte die Leistung der "Misafir" in den höchsten Tönen und bekam lautstarke Applausunterstützung durch das begeisterte Publikum. Nur ein Wunsch blieb leider unerfüllt: die Veranstalter hätten sich auch hier viel mehr türkische Gäste gewünscht, nicht nur eine handvoll.
Von Christiane Weinhold