Intime Reisebilder von Istanbul nach Baku

Eine poetische, essayistische Reisedokumentation: In der Sparkasse Wittgenstein kann der Besucher die sechswöchige Orientreise von Şehnaz Şeker und Oliver Hadji visuell begleiten. Im Goetheplatzmuseum sind Portraits zu bestaunen. (WR-Foto: Stefan Kascherus)

Den Orient festgehalten

Gefühlvolles Foto-Essay über die Region zwischen Bosporus und kaspischem Meer

Bad Berleburg. (sk) Das Fotojournalistenpaar Şehnaz Şeker und Oliver Hadji führte die Literatur in Bad Berleburg auf orientalisches Pflaster: Eine Fotoausstellung dokumentiert ihre Reise von Istanbul (Türkei) nach Baku (Aserbaidschan) und zeichnet dabei ein sehr intimes Bild der Kultur Şekers und Hadjis Vorfahren.

In einer Doppelausstellung in Sparkasse Wittgenstein ("Von Istanbul nach Baku"; Şeker & Hadji) und Museum der Stadt Bad Berleburg am Goetheplatz ("Ein Portrait zwischen gestern und heute"; Şeker) wird bis zum 2. November ein fotografischer Reisebericht der besonderen Art präsentiert.

"Bewusst subjektiv", so erklärt Fotograf Oliver Hadji, dessen Urgroßvater einst Außenminister Aserbaidschans war, seine Motivwahl. Gefühlvoll und beeindruckend haben die beiden Künstler ein poetisches Foto-Essay über die Region zwischen Bosporus und kaspischem Meer geschaffen. Farben, Eindrücke und Stimmungen sind bewusst in Szene gesetzt, Bildausschnitte kontrastiert und bewegend gewählt.

Gerade in der Banalität des Gezeigten wird persönlich und authentisch skizziert, wie der Blick zu anderen Kulturen darstellend und vorurteilsfrei, doch aber aus dem ganz persönlichen Blickwinkel der Künstler aussieht.

Auf zwei Etagen widmet sich die Ausstellung in der Sparkasse den Turk-Regionen, zeigt Menschen und Gebäude, Landschaften und Ausschnitte, die wie Stillleben in imposante Kulissen oder verschmutzte Hinterhöfe gestellt scheinen.

Dabei ergänzen sich sowohl Hadjis, der unter anderem für den "Stern" als Fotoreporter tätig war, journalistische Herangehensweise, als auch der poetisch-essayistischer Blick der ehemaligen Designstudentin Şeker hervorragend. Die verschiedenen Ausgangspunkte, welche die Künstler in der Ausstellung "Von Istanbul nach Baku" verbinden, wirken anziehend. Auffällig - neben der Einfachheit der Bilder: Fast jedes Bild hat ein quadratisches Format. Die Perspektive sei so abnormalisiert, das Bild in einen subjektiven, künstlerischen Rahmen gepresst, dem Blick des Künstlers untergeordnet, so Hadji im WR-Gespräch.

Tatsächlich wirken die Bilder. Kein Breitbild, kein unnötiger Rahmen, keine Untertitel. Das einfache, quadratische Format auf grobem Papier reduziert und konzentriert auf das Objekt. Einfach, aber einprägsam.

96 Bilder zeigt die Ausstellung. "Fast schon zu viele", kommentiert Şehnaz Şeker im WR-Gespräch. Allerdings durfte bei der Auswahl dann doch keines der Bilder fehlen. Nicht der alte Mann auf der Blumenwiese, das Maultier am Steilhang und auch nicht die beiden illegal getätigten Aufnahmen der türkischen Georgiengrenze - wenige Stunden vor dem Ausbrechern des Konfliktes aufgenommen.

Einzigartig in der Alltäglichkeit

Die zweite Ausstellung "Migrantinnen" stellt eine Reihe von Frauen dar: Frontal im Portraitformat (natürlich quadratisch) auf großer Leinwand, unbekleidet. Wunderschöne Fotos, ausdrucksstark und einzigartig in der Alltäglichkeit. Motive spiegeln wortlos Lebensgeschichten und Schicksale wider. An dieser Ausstellung arbeitete Şeker allein.

Auch Christiane Gehner (Bildredakteurin "Der Spiegel") zeigte sich begeistert vom dargestellten Werk. Im Gespräch mit den Künstlern am Rednerpult in der Sparkasse klärte sie Entstehungsgeschichten und Hintergründe zu den Motiven, zur Technik und zum Interesse der Künstler an der Thematik.

Nach dem Gastspiel zum Berleburger Literaturpflaster wird die Ausstellung "Von Istanbul nach Baku" in der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und an der Universität Mainz zu sehen sein. Danach plant Oliver Hadji ein Projekt über Mustafa Kemal Atatürk. Şehnaz Şeker geht noch weiter ins Experimentelle: Sie will Fotografen buchstäblich "scannen". Außer einem Großbildscanner und ihren Berufskollegen als Hauptakteure wird wenig verraten. Gespannt darf man darauf warten.

Von Stefan Kascherus


Westfälische Rundschau (08.10.2008)
WR-Bild: Stefan Kascherus (sk)

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