Roman führt in eine fremde Welt voller Gegensätze am Bosporus
Literaturpflaster: Autorin Hülya Özkan las in der Bad Berleburger Polizeiwache aus ihrem Krimi "In deiner Hand"
Bad Berleburg. (cw) Ein Roman voller Gegensätze: Das dritte Werk von Hülya Özkan, "In deiner Hand", führte das Publikum in der Bad Berleburger Polizeiwache in die fremde Welt am Bosporus.
Seit mehr als vier Jahrzehnten lebt die heute 50-jährige Politik-Journalistin Hülya Özkan in Deutschland. Ihre aus Istanbul stammenden Eltern entschieden in den 60er Jahren, den Kindern eine fundierte Ausbildung zu bieten. Möglich war dies nach Ansicht des Vaters, der damals in der Türkei Rektor einer Schule war, am ehesten in Deutschland.
Heute pendelt Hülya Özkan, die im Rhythmus von 14 Tagen beim ZDF in Mainz die Sendung "Heute in Europa" moderiert, zwischen ihrer alten Heimat Istanbul und dem familiären Leben in Deutschland. Sie ist mit dem Programmdirektor des ZDF, Dr. Thomas Bellut verheiratet und hat zwei Kinder.
Doch Hülya Özkan moderiert nicht nur, sie schreibt auch. Der im April 2008 erschienene Kriminalroman ist der dritte Teil einer Serie, die 2006 mit "Mord am Bosporus" begann und 2007 mit dem Erscheinen des zweiten Werkes "Istanbul sehen und sterben" weiterging und Handlungsraum des Protagonisten Kommissar Özakin ist.
Özakin, ein Ästhet im Beruflichen wie Privaten, gerät mit der Bearbeitung des für ihn unfassbar grausigen Mordes an einer Edelprostituierten an seine nervlichen Belastungsgrenzen. Sein Aufgabenbereich erfordert, und in diesem Bewusstsein lebt er auch, unbedingte Hartgesottenheit. Der Umgang des Mediums Fernsehen mit der unretuschierten Darstellung der durch den Gerichtsmediziner entblößten Leiche, versetzt den Kommissar in nahezu unüberwindbare Probleme innerhalb des Kommissariats.
Nicht genug schon der Fall eines aus Deutschland von seinem türkischen Vater entführten 10-jährigen Dennis in die fremde Welt am Bosporus, dessen verzweifelte Mutter sich durch den Dschungel der Mega-Stadt Istanbul fragen muss, gerät Özakin an seinen Assistenten Mustafa, der das Einhalten des Ramadan für unabdingbar hält und für den Verbrechen im Fastenmonat eine noch größere Sünde bedeuten.
Hülya Özkan beleuchtet mit ihrem Roman eine von Gegensätzen durchzogene Welt: Der Feinschmecker Özakin gerät in die beißend stinkende Hinterhofwelt brutaler Morde; eine Deutsche, auf der Suche nach ihrem entführten Kind, sitzt mit dem Detektiv Arslan Bülent, früher selbst als bestechlicher Polizist agierend, in einer Istanbuler Kneipe und bestellt einen Rake nach dem anderen und das mitten im Ramadan, zu aller Unmoral beginnt zwischen den beiden auch noch eine Liaison. Das Abwägen, welcher der Kriminalfälle nun vorrangig und von größerer Bedeutung ist, stürzt Özakin in einen Konflikt. Er fragt sich, welche Konsequenzen die Reaktion der Printmedien und der juristisch Verantwortlichen haben werden.
Die ZDF-Journalistin arbeitet eng mit einem Kriminalkommissar türkischer Herkunft in Deutschland zusammen. Ihr Anliegen dabei ist, in ihren Romanen stets Authentizität zu wahren. Sie gibt zu bedenken, dass für den deutschen Leser, und diese Kritik kam auch vom Publikum beim ersten Leseabend des Berleburger Literaturpflasters klar zum Tragen, dass Inhalte häufig unglaubwürdig erscheinen. Hülya Özkan begründet den unbedarften Umgang mit Raub, Entführung und Mord in der Türkei, mit völlig differenzierten Maßstäben der Beteiligten und Beobachter im Vergleich zu deutschen Reaktionen auf derartige Fälle.
Die Handlungsverschachtelungen und Irreführungen des Lesers versprechen ein Werk, das den Spannungsbogen bis zum Schluss aufrecht erhält und unbedingt lesenswert ist. Eindeutiges Schlusszitat des Vorsitzenden der Kulturgemeinde Bad Berleburg, Otto Marburger: "Wenn man das Buch liest, wird diese für uns fremde Welt plötzlich sympathisch."
Von Christiane Weinhold