Die französischsprachige Belgierin Emmanuelle Pirotte ist eigentlich Drehbuchautorin. 2015 debütierte sie mit ihrem Roman "Today we live", der zunächst als Drehbuch angelegt war. Er wurde bereits in zehn Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen wie dem Edmée de La Rochefoucauld (2016) ausgezeichnet.
Die Tatsache, dass ein Film sehr viel Zeit braucht, bis er realisiert ist, brachte Pirotte letztendlich dazu, aus dem Drehbuch einen Roman zu machen. Gegenüber dem S.Fischer Verlag erklärt sie: "Das war eine ganz neues Abenteuer. Sehr befreiend für mich. Beim Drehbuchschreiben ist man an eine feste erzählerische Form gebunden, die sehr rigide ist. Der Roman bietet viel mehr erzählerische Möglichkeiten, als Romanautor fühlt man sich viel freier. Es ist viel einfacher, sich in die Psyche der Figuren hineinzudenken, und man kann leichter die Erzählperspektive wechseln. Im Film muss das Seelenleben der Figuren über die Aktion erklärt werden."
Zur Story:
Kriegswinter 1944 in den Ardennen: "Renée ist 6 oder 7, ganz genau weiß sie es nicht. Als elternloses jüdisches Mädchen wird sie im letzten Kriegswinter vor den Deutschen versteckt – bei den Nonnen, dem Pfarrer, den Bauern in den Ardennen. Bis sie dem SS-Offizier Matthias in die Hände fällt. Er verschwindet mit ihr im Wald, um sie zu erschießen, aber plötzlich nimmt alles einen ganz anderen Lauf. Dieses Mädchen mit den dunklen Augen wird Matthias Leben für immer verändern." (Buchcover)
Pirotte wollte in erster Linie die Geschichte eines versteckten Kindes erzählen, von denen es zur damaligen Zeit vor allem viele in Wallonien gab. Dabei bediente sie sich der Geschichte ihrer Großeltern, aber auch der Urgroßmutter ihres Mannes. Beide Familien versteckten Juden oder Widerstandskämpfer vor den Nazis. Ihre eigenen Großeltern verstecken über zwei Jahre einen kleinen jüdischen Jungen. Das historische Setting lieferte ihr letztendlich ein Freund, der ihr von der Operation Greif, bei der sich deutsche Soldaten als Amerikaner verkleideten, erzählte.
"So gab es überhaupt die Möglichkeit, die kleine jüdische Renée auf Matthias treffen zu lassen, auf ihren Henker, den die Geschichte für sie bereithielt. Ich wollte diesen Schockmoment herausarbeiten, diesen Moment des plötzlichen und unausweichlichen ‚von Angesicht zu Angesicht‘, der in der Fiktion ziemlich tabu ist, auch heute noch", erklärt Pirotte in einem Interview mit hundertvierzehn, dem literarischen Online-Magazin des S.Fischer Verlags.
"Heute leben wir" erzählt davon, wie der Krieg die Menschen – und nicht nur die Deutschen – verrohen lässt, aber auch davon, dass man die Menschlichkeit auch dort zu finden ist, wo man sie am wenigsten erwartet. Der Roman wird aktuell verfilmt. Die Dreharbeiten begannen Anfang 2017. Emmanuelle Pirotte lebt in einem belgischen Dorf.